Interview mit DAS.VENTIL

30 August 2024
 
Image Interview mit DAS.VENTIL

Am 28. September 2024 treten die Künstlerinnen von DAS.VENTIL mit ihrem neuen Stück HochHinaus 7.0 im Kellerpoche auf. Vor ihrem Auftritt hat uns Kathrin Iten, Schauspielerin, Autorin, und Sozialarbeiterin, einige Fragen beantwortet. Darin geht es um das neue Stück, aber auch um den kreativen Prozess, woher eigentlich die Ideen kommen, wie daraus eine fertige Theaterproduktion wird, und wie diese auch an verschiedenen Orten und in verschiedenen Sprachen funktionieren kann.

Wer ist die Gruppe DAS.VENTIL? Wie würdest du euren künstlerischen Stil beschreiben?

Wir sind mehrheitlich Frauen, die projektspezifisch in unterschiedlichen Konstellationen zusammenarbeiten. Wir kreieren hauptsächlich Theaterproduktionen, bieten jedoch auch Workshops an und wir befassen uns seit einigen Jahren mit kreativem Lernen mit unserem DAS.VENTILabor. DAS.VENTIL gibt es nun seit 10 Jahren. Wir haben die Arbeitsweise, uns für unsere Produktionen Zeit zu nehmen und anschliessend über mehrere Saisons mit dem gleichen Theaterstück zu touren.

Unser künstlerischer Stil ist dementsprechend je nach Produktion unterschiedlich. Unsere eigenen Inszenierungen haben wir bisher immer selbst geschrieben.

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Es gibt von euch mehrere Theaterproduktionen, die nicht nur sowohl auf Deutsch als auch auf Französisch, sondern auch in einer zweisprachigen Version aufgeführt wurden. Im letzten Jahr habt ihr für euer Engagement in diesem Bereich den «Prix du bilinguisme dans la culture» des Kantons Bern erhalten. Wie würdest du den Umgang von DAS.VENTIL mit der Zweisprachigkeit beschreiben?

Das Schönste am zweisprachigen Schreiben bzw. Theaterspielen ist es, einen eigenen Rhythmus zu finden. Die Wörter sollten harmonisch ineinanderfliessen und so eine eigene Sprache entstehen lassen.

Je nachdem, wo wir spielen, haben wir unterschiedliche «Stärken» im bilinguen Spielen. Je nach Publikum wird eine der beiden Sprachen akzentuiert. Wir versuchen die Kernaussagen des Stückes so darzustellen, dass die Leute es verstehen, auch wenn sie die andere Sprache nicht so gut beherrschen. In Fribourg und in Biel haben wir hier die besten Voraussetzungen und können wirklich diese eigene bilingue Sprache auf die Bühne bringen. Sobald wir in anderen Städten/Ortschaften zweisprachig unterwegs sind, müssen wir den Fokus auf die eine oder andere Sprache legen. Wir übersetzen die mündlichen Texte bewusst selbst und verzichten auf eine professionelle Übersetzung, damit es unsere eigene Sprache bleibt. Die meisten von uns leben in der Deutschschweiz und dem geben wir Raum. Wir möchten nicht ein perfektes Französisch bzw. perfekt bilingue sprechen, damit wir authentisch bleiben. Wir lassen die Texte jedoch immer von frankophonen Leuten auf die Verständlichkeit überprüfen. Ein weiterer interessanter Aspekt ist, dass der Humor nicht auf beiden Seiten des Röstigraben gleich funktioniert. Daher ist nicht nur die Frage, wie wir das Ganze sprachlich übersetzen, es ist immer auch ein Spiel mit den Kulturen, manchmal auch mit den Klischees … es ist eine feine Linie.

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Gibt es Dinge, die sich am Charakter eines Stücks verändern, wenn man es auf Deutsch oder Französisch aufführt, oder fühlt sich auf der Bühne beides gleich an? Und gibt es Unterschiede darin, wie das Publikum in der Romandie und in der Deutschschweiz auf ein Stück reagiert?

Ja, die Unterschiede sind erstaunlich. Wie bereits gesagt der Humor. Zu Beginn haben wir teilweise nicht verstanden, wieso das Publikum lacht oder nicht. Gerade als Deutschschweizerinnen in der Romandie - wir haben unseren Accent bernoise und der macht was mit den Leuten. Wenn wir auf die Bühne kommen, dann werden wir oftmals bereits in die Schublade «fonctionnaires bernoises» gestellt. Wir hatten jedoch noch nie das Gefühl, das frankophone Publikum lacht über uns, sondern vielmehr mit uns. Das ist wunderschön. Auch auf den Inhalt erhalten wir teilweise unterschiedliche Reaktionen. Dies ist immer wieder sehr beeindruckend. Egal in welcher Sprache oder wo, jede Theateraufführung ist immer eine Momentaufnahme. Jede Aufführung ist anders und jeden Moment mit dem Publikum erleben wir nur einmal. Deshalb ist Theatermachen ja so schön!

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Am 28. September ist im Kellerpoche euer neues Stück «HochHinaus 7.0» zu sehen (auf Deutsch). Darin geht es um die Realität rund ums Wohnen und um die Frage, was es eigentlich heisst, zu Hause zu sein. Was hat euch inspiriert, eine Produktion zu diesem Thema zu machen?

Dies ist schwierig zu sagen. Themen wachsen über längere Zeit in unseren Köpfen. Wir sind vor über zwei Jahren zum ersten Mal im Proberaum gewesen und das Thema hat sich verselbstständigt. Da wir alle nebst unseren künstlerischen Hintergründen viel mit sozialen Themen gearbeitet haben, liegt es in der Natur unserer Erfahrungen, dass sozial brennende Themen in unseren Stücken behandelt werden. Wir fühlen uns auch als Beobachtende der Gesellschaft und versuchen rauszuspüren, was die Menschen gerade beschäftigt, sowie was uns beschäftigt. Wohnen ist ein unglaublich grosses Thema, welches unserer Meinung nach alle in irgendeiner Form betrifft.

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«HochHinaus 7.0» ist ein Einfraustück mit drei Frauen. Wie würdest du euren kreativen Prozess von der ersten Idee bis zur fertigen Produktion beschreiben? Wie und wann entstehen die Figuren, die bei euch auf der Bühne erscheinen?

Unser kreativer Prozess war wirklich aus tiefstem Herzen eine kreative Reise. Wir haben uns sehr lange Zeit gelassen. Wir haben geschrieben, ausprobiert und wieder geschrieben. Wir haben zum ersten Mal ohne Regie gearbeitet und uns dementsprechend viel zu dritt ausgetauscht. Zudem kommen wir alle drei aus unterschiedlichen Disziplinen - Wort, Bewegung und Musik - und wir haben so mit viel Geduld immer wieder ausprobiert. Es fühlte sich ähnlich an wie das Suchen der Harmonie vom bilinguen Schreiben. Es sind unterschiedlichen Disziplinen, die zu einer Sprache werden können. Die Figuren sind alle im Proberaum während Improvisationen entstanden. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, wenn eine neue Figur entsteht. Manchmal sind es Bilder, Ideen, Worte, Musik oder Bewegungen, die uns inspirieren. Da unser kreativer Prozess so lange und intensiv war, sind schliesslich mehr Figuren entstanden, als wir uns vorgestellt haben.

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Zum Schluss stellen wir eine Frage, die von der letzten Künstlerin für unser nächstes Interview vorgeschlagen wurde. Judith Bach wollte wissen: Wie gehst du damit um, wenn du Zweifel hast und was hilft, wenn du einmal keine Lust hast auf das extrovertierte Bühnendasein?

Was für eine wunderbare Frage! Ach, diese Zweifel. Bei uns im Ensemble empfinden wir das sehr unterschiedlich und gehen dementsprechend unterschiedlich damit um. Ich kann daher nur von mir sprechen. Wenn ich Zweifel habe, dann versuche ich mit mir in den Dialog zu gehen und ich weiss inzwischen, wenn ich etwas abwarte, dann ziehen die Zweifel auch wieder vorbei. Wenn ich an einem Text feile und sich plötzlich Zweifel in meinem Kopf einschleichen, dann hilft es mir es für diesen Tag gut sein zu lassen. Wenn ich unter Zeitdruck bin, dann gehe ich in den Wald. Der Wald hilft mir immer Klarheit zu gewinnen. Keine Lust auf das extrovertierte Bühnendasein …? Das Vertrauen, dass die Unlust spätestens vorbei ist, wenn ich die Bühne betrete. Jedes Mal. Es ist wie eine andere Sphäre … und die Dankbarkeit für dieses unbeschreibliche Gefühl, welches zwischen Bühne und Zuschauerraum entsteht. Dieser Raum der eben meistens kein Röstigraben ist, sondern vielmehr eine Brücke und ein gemeinsamer Moment.

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Und welche Frage sollen wir in unserem nächsten Interview stellen?

Wieso stehst Du überhaupt auf der Bühne?

(--> hier geht's zum Interview mit Reeto von Gunten)

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Vielen Dank für das Gespräch und wir freuen uns auf dem Auftritt im Kellerpoch am 28. September!


Mehr Infos zu DAS.VENTIL finden Sie hier.

Hier geht's zum Stück

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